Das ökologische Potenzial von Friedhöfen

Summen in der Stille


Der Friedwald - Naturnahe Ruhestätte im Trend

Ich liebe es im Wald zu sein. Und ja, die Vorstellung meinen Körper nach dem Verlassen dieser Erde zu den Wurzeln eines Baumes im weichen Mulchboden zu wissen, behagt mir.

Auch als Trauernde gehe ich gerne in den Wald. Die Natur baut auf und spendet trost. Wie treffend wird der Wald in einem Gedicht "Die Kirche der Natur" genannt. So verstehe ich, dass immer mehr Menschen in Friedwäldern ihre letzte Ruhestätte finden möchten.

Ein wichtiges Argument für diesen Bestattungsort ist, dass man den Hinterbliebenen keine Grabpflege aufbürden möchte. Das Grab ist entweder anonym und wird ganz von der Natur eingenommen, oder es weist nur eine Grabplatte oder Namenstafel auf den Verstorbenen hin. Das Schmücken mit Grabbepflanzung, Gestecken oder liebevoll ausgewählten Artefakten ist nicht erlaubt. Der Friedwald ist der Natur vorbehalten.

Der Friedhof - Kulturgut mit Naturschutzwert

Um unsere traditionellen Friedhöfe bietet ein Zaun Schutz. Dies gibt meinem Empfinden ein willkommenes Gefühl von Geborgenheit. Der Friedhof ist ein gehegtes und gepflegtes Kulturgut. Alte Gräber halten Momente der Ortschronik in Stein fest, schreiben Familiengeschichte. Hier werden Erinnerungsriten und religiöse Bräuche gelebt.

Obwohl die Nachfrage an Friedhofsgräbern sinkt, leben und sterben die meisten Menschen heute in Städten. Die Friedhöfe sind nah gelegen und bieten mittlerweile verschiedene Bestattungsmöglichkeiten. Auch hier kann man seine Überreste ohne Mühe und Aufsehen für Andere hinterlassen.

Zudem kommen Friedhöfen in Städten eine wichtige ökologische Bedeutung zu. Gemeinsam mit anderen Grünanlagen wirken sie wie "grüne Lungen" in der versiegelten Fläche und verbessern das Stadtklima erheblich.

Die Scilla-Blüte auf dem Friedhof Lindener Berg in Hannover lockt jährlich Scharen von Spaziergängern an.
Die Scilla-Blüte auf dem Friedhof Lindener Berg in Hannover lockt jährlich Scharen von Spaziergängern an.

Mit ihren alten Baumriesen, Gebüschen und ungenutzten Zwischenräumen sind sie Refugien für Tiere und Pflanzen. Vor allem auf alten Friedhöfen finden sich aufgrund der besonderen Standortbedingungen Pflanzen, die bereits auf der "Roten Liste" aussterbender Arten stehen.

Laut Kommunen und Naturschutz-Verbänden soll das ökologische Potenzial der Friedhöfe dankenswerter Weise zukünftig besser genutzt werden. Aufgrund des immensen Artenrückgangs bei den Bestäuberinsekten, sollen die zur Verfügung stehenden Flächen in immer mehr Orten insektenfreundlicher gestaltet werden. In Niedersachsen wird anhand von vier Projekt-Friedhöfen ein beispielhafter Maßnahmenkatalog hierzu erarbeitet. Studieninhalt ist auch die Wissensvermittlung rund um Wildbienen und Biodiversität an Bürgerinnen und Bürger.

Mit dem Erblühen der Friedhöfe wird gleichzeitig die Erholungsqualität für uns Menschen gesteigert. Spaziergänge, vor allem auf schwächer belegten Friedhöfen, bieten Ruhe und Gelegenheit zu Naturbeobachtungen in der Stadt.

Dem Trend entgegen blühen... Tipp: Dauerbepflanzung

Da jede Blüte zählt, ist es wünschenswert, dass neben den öffentlichen Flächen auch die Gräber mit Nektar- und Pollen spendenden Pflanzen gestaltet werden. Eine blütenreiche Bepflanzung mit Stauden und Kleingehölzen ist nachhaltig und braucht nur wenig Pflege. Das Kaufen und Setzen saisonaler Pflanzen entfällt. Statt dessen erfolgt bestenfalls eine gut durchdachte Dauerbepflanzung. Den Wildbienen zu Liebe sollten die Pflanzen so gewählt werden, dass immer etwas blüht, vorzugsweise auch etwas Heimisches.

Desweiteren sollten unbedingt Immergrüne darunter sein, damit das Grab auch im Winter abgedeckt und ansehnlich ist. Eine dichte Pflanzung beugt, wenn sich die Stauden etwas ausgebreitet haben, unerwünschtem Aufwuchs (Unkraut) vor. Außerdem sorgt eine geschlossene Pflanzendecke dafür, dass der Boden im Sommer weniger austrocknet. Bei der Verwendung trockenresistenter Pflanzen kann sogar noch sparsamer gegossen werden. Wird nun noch eine Höhenstaffelung und harmonische Farbauswahl berücksichtigt, ergibt sich ein schönes, den Verstorbenen ehrendes Bild. Von dem Grab wird eine Lebendigkeit ausgehen, es wird viele geflügelte Besucher anlocken und nähren. Als Hinterbliebene können wir Trost im Summen der Bienen und Tanzen der Schmetterlinge finden. Gleichzeitig sorgen wir mit dieser schönen Art des Artenschutzes für unsere Nachwelt.

Insektenfreundliche Grabgestaltung: Ein Beispiel

Die Lieblingspflanze der Verstorbenen, die Heide mit ihrem kontraststarken Magenta, soll dieses Grab bestimmen.  Die Kombination von Sommer- und Winterheide bringt vom Sommer bis über den Winter die bei Bienen beliebten Blüten hervor.

Achtung beim Einkauf: Stark überzüchtete Sorten mit besonders langer Blütezeit sind steril und damit keine Insektennährquelle!

Den Blütenreigen ergänzen in beiden Entwürfen Glockenblumen, Purpurglöckchen, Christrose und Teppich-Fetthenne. Je nach Geschmack sind sie im Vorschlag 'Glockenklang' symmetrisch strukturiert; im Entwurf 'Sternenschweif' hingegen moderner anmutend auf eine pyramidenförmige Glockenblume ausgerichtet.

Hat man sich einmal für die vielen Vorteile einer standortgerechten Dauergrabbepflanzung entschieden, kann man ungezwungen zum Friedhof spazieren, wenn einem danach ist, und nicht weil die Grabpflege drängt. Wer trotzdem gerne an saisonalen Traditionen festhält, lässt einfach ein Plätzchen frei, an dem in der warmen Jahreszeit ein Tuff Sommerblumen blühen. Zu Allerseelen oder Totensonntag kann dort dann das hübsche Grabgesteck für die Winterzeit niedergelegt werden.

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